20.1.88 (101)

Mit diesen Nachtdiensten kommt man bezüglich des Tagebuchschreibens völlig durcheinander, da immer die "Datumsgrenze" überschritten wird.
In der letzten Nacht habe ich noch hervorragende Mohnbrötchen gebacken und morgens dann noch Eierkuchen. Am Frühstück selbst habe ich nicht teilgenommen, bin lieber schlafen gegangen. In einer Viertelstunde haben wir den 21.1. und dann fängt die eigentliche Arbeit an. Vor 23.30 herrscht hier nie Ruhe.
Hans hat auf einen Wunsch hin noch am Motor gestellt und jetzt läuft er endlich rund. Er probiert eben so lange, bis es geht. Vom Messen hält er nichts. Dazu müssten auch noch ein paar Hilfsmittel gebaut werden, eine Aufgabe, die ich mir für den Winter gestellt habe.
16 Briefe sind auch fertig, es fehlt hauptsächlich noch der an Ingrid. Den habe ich mir bis zum Schluss aufgehoben, aber in dieser Nacht werde ich damit anfangen. Außerdem will ich versuchen, nachts ein vernünftiges Stationsfoto zu machen, das ich noch in den Brief stecken kann.

21.1.88 (102)

Es ist jetzt 2.15 Uhr und ich habe eine kleine Pause bei der Hausarbeit gemacht. Für die Zeit von 2 Stunden habe ich sehr viel geschafft. Erst einmal abgewaschen, dann Zimt-Haferflocken-Plätzchen gebacken (sehen aus wie Makronen) und eine hervorragende Buttercreme hergestellt und wieder abgewaschen. Mit der Buttercreme werde ich morgen einen Frankfurter Kranz machen. Ich werde hier noch zum perfekten Bäcker. Bloß fürs Frühstück muss ich mir noch was ausdenken. Wir haben noch Büchsen mit Blumenkohl, die angeblich nichts taugen. Mal sehen, ob daraus eine Suppe wird. Wenn nicht, kann ich immer noch Grieß oder Milchreis machen.
Jetzt steht hier vor mir eine schöne große Tasse Kaffee und bis 3 Uhr werde ich den ersten Brief an Ingrid schreiben. Ein Telegramm von Ingrid steht auch noch aus. Von Oma kam am 19.1. eins. Schön, dass Sie eine Kühlschrankdichtung bekommen hat.
Die Blumenkohlsuppe ist gelungen, der Kohl ist zwar reichlich weich und etwas dunkel, aber es geht.

22.1.88 (103)

Es ist jetzt 0.40 Uhr und ein großer Teil der Küchenarbeit ist geschafft., d.h., die Erbsensuppe nach Oasenart fürs Frühstück ist fertig und der Biskuitteig für die Torte im Ofen. Hoffentlich wird er was, denn die Arbeit mit dem Trockenei ist etwas ungewohnt und keiner kann Mengenangaben machen, wie viel 1 Ei ist. Na, mal sehen.
Für die Erbsensuppe habe ich zwei Büchsen grüne Erbsen genommen, eine davon durch den Wolf gedreht (nur den Inhalt), alles zusammen gerührt mit dem Wasser, Schmalzfleischreste und Salami gebraten, mit Mehl angedickt und alles in die Suppe. Dann mit Salz, Pfeffer und Majoran abgeschmeckt.
Die Blumenkohlsuppe war ein voller Erfolg, die beste Suppe, die bisher serviert wurde, obwohl der Blumenkohl angeblich schlecht sein sollte.
Mir macht das Kochen und Backen viel Spaß und die Nacht geht schnell rum. Jetzt läuft auch wieder der große Büffel, denn das Wetter ist mies. Dafür habe ich jetzt keine Energieprobleme.
Übrigens waren die Haferflockenmakronen auch einwandfrei. Ist ein Gebäck, das man auch zu hause essen kann. Habe gerade mal im Ofen nachgesehen, der Kuchen geht auf, ist also nicht alles hoffnungslos. Ich hätte auch die Fertigpackungen nehmen können, aber die sind schon knapp und ich weiß nicht, ob neue mitkommen.
Tagsüber ist nicht viel passiert, Kurt kam vom Domik zurück. Ich habe nun nur noch eine Nacht vor mir, dann beginnt wieder der normale Ablauf. Arbeit gibt es genug. Ich empfand die Woche Nachtdienst als ganz angenehme Abwechslung. Viele andere mögen sie nicht, aber ich bin gern mal allein, um in Ruhe meinen Gedanken nachhängen zu können. Dazu hat sonst kaum Gelegenheit.
Der Kuchen ist fertig, der Teig ziemlich fest, aber brauchbar, liegt sicher an den Zutaten. Die Nacht ist auch bald vorbei. Zum Schreiben habe ich auch keine Lust mehr, es ist ja auch noch etwas Zeit. Morgen werde ich noch ein paar Sachen am Computer schreiben, und zwar ein paar Dinge für die Wartung der Aggregate als Gedankenstütze für Fritz, denn wir werden uns nur kurz sehen, wenn er ankommt, denn ich muss dann mit dem Hubschrauber vor zur Küste, um den Schlittenzug zu fahren. Er muss dann hier allein klarkommen und man weiß vorher nie, wie lange es dauert.

23.1.88 (104)

Zwei Monate bis zu meinem 40. Geburtstag. Komisches Gefühl. Die Gedanken kamen mir gerade, als ich das Datum schrieb. Die erste Lebenshälfte hat man nun hinter sich, hoffentlich nicht schon ein ganzes Stückchen mehr. Na ja, was soll's, Grund zum Klagen gibt es keinen. Wir haben so alles, was wir uns wünschen, und mit Sicherheit alles, was wir brauchen. Im Moment fehlt mir nur Ingrid. Telegramm kam heute auch nicht. Vielleicht ist eins verloren gegangen oder die Prüfung stand bevor. Ich werde mal noch ein paar Tage warten, obwohl es schwerfällt.
Ansonsten gibt es heute wieder nur Koch- und Backberichte. Die Torte war der Renner der Saison. Trotz mangelhafter Zutaten war sie doch noch locker und wohlschmeckend. Viel Lob bekommen, auch für die Erbsensuppe. Heute habe ich Sauerkrautsuppe mit Gulasch gekocht und einen Apfelkuchen gebacken (Mürbeteig, Apfelmus, Rosinen, mit Decke in Springform). Ist sehr gut geworden.
Gegen Morgen muss ich nur noch Mohnbrötchen backen, dann ist alles geschafft. Jetzt werde ich noch etwas Kaffee trinken und deutsche Welle hören, falls sie was Anständiges liefern. Wischen muss ich auch noch, das dauert aber nicht lange, da ich es täglich gemacht habe.
Es ist jetzt fast 4.00 Uhr und ich habe etwas Ruhe. Aus den Kopfhörern kommt Musik, ich habe mir noch eine Tasse Kaffee gemacht und schreibe wieder. Als ich den Apfelkuchen gemacht habe, musste ich so an zu hause denken, mit dieser Art Kuchen verbinden sich viele Erinnerungen und das belastet mich jetzt, so kurz vor Opas Todestag und Geburtstag, sehr. Ich bin froh, dass ich jetzt etwas allein sein kann. Es ist zwar nicht mehr ganz so schlimm wie früher, aber ich bin immer noch nicht darüber hinweg. Ich weiß auch noch nicht richtig, wie Ingrid die letzten 2 Jahre überstanden hat. Ich glaube, dass ich doch etwas hart gewesen bin. Es war aber, so glaube ich, eine Art Schutzreaktion, um durch alles durchzukommen und die Probleme bewältigen zu können. Ich hoffe, Ingrid hat es mir nicht übel genommen.
Auf jeden Fall hilft es mir, das hier alles aufzuschreiben. Normalerweise nimmt man sich viel zu wenig Zeit, um über solche Dinge zu reden.

23.1.88 (104, abends)

Die Woche des Nachtdienstes ist jetzt vorüber. Ich habe mich um 16.00 Uhr zum Kaffeetrinken wecken lassen, um auch etwas vom Kuchen zu haben. Danach passierte nicht mehr viel. Wir warteten aufs Abendessen und gingen in die Banja. In dieser Woche habe ich wieder 1,5 kg zugenommen. Bei dem ständigen Backen und Kochen kein Wunder. Wir haben uns also ordentlich gesaunt, sogar mit Auspeitschen mittels Birkenbesen. Draußen schneite es erst, dann regnete es etwas, gerade richtig zum Abkühlen. Machte richtig Spaß.

24.1.88 (105)

Ich habe gerade noch bemerkt, dass ich mit dem Tagebuchschreiben wieder fast durcheinander gekommen bin. Grund ist die Umstellung vom Nachtdienst auf den normalen Ablauf. Mit der Raupe fuhr ich zum See in der Nähe der SU-Station, Steffen lief hin. Leider war er noch gut zur Hälfte mit Eis bedeckt. Sicht 2 bis 2,5 m, Wasser etwas milchig. Tiefen gelotet bis 10,5 m, getaucht wegen Eisrand nur bis 9,5 m. Ich war 50 min im Wasser, nicht gefroren und anschließend noch gebadet. War wirklich herrlich.
Abends wurde wieder bis 24 Uhr Weinprobe gemacht. Haben uns wirklich sehr nett unterhalten.

25.1.88 (106)

Heute wurde die alte Aerologie, das Geschenk der Russen, vom Schlitten geladen und abgesetzt. War sehr interessant und hat viel Spaß gemacht. Hans baut Spielerchen, die er aber sehr wichtig nimmt.
Mit Reiner gehe ich in Kürze noch mal zum See, um ihn ordentlich zu vermessen, da ich beim Zeichnen der Karte bemerkt habe, dass doch Angaben fehlen, die wir eventuell benötigen.
Der See ist jetzt vermessen und gezeichnet, das Tauchgebiet und die Tiefen sind eingetragen. Wenn das Wetter gut ist, werde ich mit Ecki am Mittwoch zum Sub wandern und dort ebenfalls tauchen. Wahrscheinlich werden 2 Tage erforderlich sein.
Reiner, Günther, Kurt und Steffen fliegen morgen nach Dagshin Gangotri, um den indischen Nationalfeiertag zu begehen. Leider gehöre ich nicht zu den Auserwählten.

26.1.88 (107)

Gestern wurde wieder von Molos Wein gekostet. Erstaunlich ist immer wieder, dass keinerlei Folgen am nächsten Tag auftreten. Hans und Ecki waren zum Geburtstag bei den Russen eingeladen und kamen ziemlich abgefüllt zurück. Der heutige Tag war für sie auch wieder gelaufen. Als sie gegen Mittag endlich aufstanden, wurde wieder getrunken und nach dem Mittagessen kamen noch 4 Mann von der SU-Station und es ging weiter. Das war allerdings nur möglich, weil unsere 4 Mann, d. h. auch die Leitung, nach Dagshin geflogen waren. Ich war mit zur SU-Station gegangen und hatte mein Tauchgerümpel in den Hubschrauber geschafft, damit ich das Zeug nicht nach Maitri zu tragen brauchte. Wenn das Wetter gut ist, gehen wir morgen früh los.
Heute konnte ich auch ganz in Ruhe arbeiten und brauchte auf niemanden Rücksicht zu nehmen. Habe für Günther 8 Mastbefestigungen gebaut, einen alten Stromerzeuger ausgeschlachtet und auf dem Autofriedhof 2 Einspritzpumpen für die ATT ausgebaut, alles in allem ein erfolgreicher Tag.
Steffen ist in Dagshin auch einen Brief an Ingrid losgeworden, der wird jetzt über Indien in die DDR geschickt. Hoffentlich kommt er an. Einen zweiten werde ich mit nach Maitri nehmen, der geht an Palms.

27.1.88 (108)

Heute war der 2. Tauchtag. Zusammen mit Ecki wanderte ich nach Maitri, d. h. bis dorthin begleiteten uns noch Steffen und Molo. Meine Tauchsachen fand ich ordnungsgemäß vor und nach einer Tasse Kaffee zur Begrüßung ging es los. 80 Minuten benötigte ich für die erste Seehälfte. Die Ergebnisse sind sehr interessant und aufschlussreich. Insbesondere die starke Algenproduktion fällt auf. Die Schlammschicht überschreitet oft die Stärke von 1 m. Erst drunter ist festes Sediment. Nur ausgewählte Stelen bieten gute Voraussetzungen für eine spätere Sedimentgewinnung. Nach dem Tauchen gab es Kaffee, Mittagessen und beim Doktor Rum. Eine Flasche voll gab er uns noch mit.
Auf dem Hinweg fanden wir noch ein Skua-Paar mit einem Jungen. Es gab wieder reichlich Luftangriffe.
Abends gingen wir noch zum Duschen und quatschten etwas bei Pfefferminztee. Außerdem schickte ich noch ein Telegramm an Ingrid, da auf mein letztes noch keine Antwort eingetroffen war. Einen Brief an Palms habe ich fertig gemacht, aber vergessen, in Maitri abzugeben. Übermorgen werde ich das erledigen.

28.1.88 (109)

Das Wetter war heute ziemlich mies und ich war heute früh auch noch hundemüde. Das lag sicher an dem gestrigen anstrengendem Tag. Trotzdem will ich die Taucherei morgen im Sub abschließen, falls das Wetter nicht extrem schlecht wird.
Heute haben Hans und ich einen weiteren Schlitten repariert. Fertig ist er noch nicht, da wir noch besondere Halterungen für Günthers Funkcontainer anbringen müssen. Das wird uns noch einige Kopfzerbrechen bereiten. Das Ding ist nämlich furchtbar empfindlich und kostet rund 1,5 Millionen Mark.
Wieder mal einen Film entwickelt. Irgendwo kommt immer noch Licht in die Kamera. Ansonsten noch das Geburtstagsbild für Kurt gemacht. Es muss jetzt noch auf Sperrholz aufgezogen werden.
Von Ingrid kam auch heute kein Telegramm. Inzwischen wird sie hoffentlich meins erhalten haben und dann darauf antworten. Ich nehme an, ein Telegramm ist wieder mal verloren gegangen. Das Warten fällt doch recht schwer.

29.1.88 (110)

Der zweite Tauchtag in Maitri. Das Wetter war denkbar ungünstig. Der Wind schwanke zwischen 10 und 15 m/s, Wolken, ein paar Schneeflocken, aber +3°C.
Der zweite Teil des Sees war etwas kleiner und so benötigte ich nur 50 Minuten. Für die Inder brachte ich noch Algenproben mit, an denen waren sie interessiert. Es gab wieder Kaffee und ein ausgezeichnetes Mittagessen sowie einen großen Apfel, eine Seltenheit hier in der Oase. Auf dem Rückweg trug ich das gesamte Tauchgepäck allein, da ich mal sehen wollte, ob es in dem schweren Gelände zu bewältigen ist. Es klappte ganz ausgezeichnet, einschließlich der Gewichtsgurtschlepperei.
Ansonsten gibt es nicht viel zu berichten. Ich habe noch an dem Geburtstagsbild für Kurt gearbeitet und will heute mal früh schlafen gehen. Jetzt wird es nachts schon etwas dunkler und man schläft dadurch tiefer. Vielleicht liegt es aber auch an den körperlichen Belastungen der letzten Tage. Günther und Kurt bauen abends immer noch an der alten Aerologie rum, ich halte das doch etwas für übertrieben, wenn auch sehr viel Zeit nicht bleibt.
Ein Telegramm kam auch heute nicht, langsam wurde ich wieder unruhig, obwohl ich eigentlich nicht weiß, warum. Auch Ingrids Verteidigung müsste doch nun vorbei sein. Telefonieren müsste man können, aber nach Dagshin Gangotri. komme ich erst im März.