Wie alles begann

Von Oktober 1987 bis Februar 1989 war ich Teilnehmer der ersten Antarktis-Expedition der DDR bzw. der 33. SAE (Sowjetische Antarktisexpedition). Die Tagebücher lagen 15 Jahre im Schrank, bis ich mich nun entschlossen hatte, meine Aufzeichnungen zu übertragen und zugänglich zu machen.
In der ersten Phase hatte eine wörtlichen Übertragung stattgefunden, um das Material für eine spätere Überarbeitung zur Verfügung zu haben. Einige Eintragungen waren sehr persönlicher Natur und auch einige Anmerkungen über andere Teilnehmer sind unter Umständen so emotional geprägt, dass sie für eine Veröffentlichung wenig geeignet sind. Aus diesem Grund wurde in einer weiteren Stufe die eigentliche „öffentliche" Variante geschaffen. Die Eintragungen wurden sehr behutsam überarbeitet, um den ursprünglichen Inhalt nicht zu verfälschen. An einigen Stellen schien es angebracht zu sein, einige ergänzende Anmerkungen zu machen, um auch Außenstehenden die Situation einer solchen Unternehmung näherzubringen. Diese Einfügungen wurden, um sie kenntlich zu machen, in Kursivschrift getätigt. Somit sollte größtmögliche Authentizität gewährleistet werden.

Zurück zur eigentlichen Geschichte, zur Reise in die Antarktis.
Es werden doch einige Absonderlichkeiten zu lesen sein, die dem damals herrschenden politischen System geschuldet sind, aber auch Geschichten über eine einmalige Landschaft, einen Kontinent, den man nach dieser Zeit nicht so verlässt, wie man ihn betreten hat. Es wird natürlich um die Wissenschaft gehen, aber auch um harte, dreckige körperliche Arbeit, die notwendig ist, eine solche Station zu erhalten. Wir werden Schlittenzüge zur Küste kennenlernen, Begegnungen mit Pinguinen, Expeditionen ins Gebirge und natürlich die Begegnung mit Menschen der unterschiedlichen Nationen, die vielleicht eine der wichtigsten Erfahrungen auf dieser Reise war.

Der Beginn

Angefangen hatte alles im September 1985. Wir, d.h. die Taucher der GO Bonito 58 der Humboldt-Universität, verbrachten eine Woche im Ausbildungslager an der Wohlenberger Wieck. Wie in jedem Jahr waren auch wieder neue Kameraden mit von der Partie, so auch Dr. Rudolf Bannasch von der Forschungsstelle des Tierparks. Er hatte zusammen mit Dr. Martin Rauschert eineinhalb Jahre in der Antarktis in der Forschungsstation Bellingshausen zugebracht. Seine Erzählungen, insbesondere auch über die Tauchunternehmungen in den antarktischen Gewässern, begeisterten uns. Zum ersten Mal hörten wir Berichte über eine Region der Erde, die sonst eigentlich außerhalb unserer Interessensphäre lag. Und es zeigte sich, daß man die Möglichkeit hatte, selbst an solchen Unternehmungen teilzunehmen. Das Ergebnis war, dass sich einige spontan für diese Sache begeisterten und sich für eine Teilnahme an einer Expedition bewerben wollten. Ich stand der Sache skeptisch gegenüber, denn ich sah erst einmal die lange Trennung von der Familie mit allen ihren Problemen. Aber irgendwie musste sich der Gedanke doch festgesetzt haben und an meinen Erzählungen hatte meine Frau doch gemerkt, wie es mich dorthin zog. Und so kam es dazu, dass sie mich fragte, ob ich auch versuche wollte, an einer Expedition teilzunehmen. Es hatte kaum Sinn, um den heißen Brei herumzureden, und da meine Frau meine Antwort sicher ahnte, gab sie mir zu verstehen, dass sie einverstanden wäre.
Und damit begann das ganze Abenteuer, oder besser gesagt, der Versuch, das Abenteuer zu realisieren.

6.11.85                   Brief an das Zentralinstitut für Physik der Erde (ZIPE)

Dieser Brief war der Beginn der Bewerbung für das Unternehmen. Gleichzeitig wurde ebenfalls ein Schreiben an Prof. Dathe, Direktor des Tierparks in Berlin, gerichtet, da für die Forschungen und die Tauchunternehmungen in der sowj. Station Bellingshausen, dem ursprünglichen Ziel, die Forschungsstelle des Tierparks zuständig war.

13.11.85                 Antwort aus Potsdam

Das Antwortschreiben enthielt die Zustimmung zur Teilnahme an der Expedition

21.11.85                 Antwort von Prof. Dathe


Dieses Schreiben erhielt die Mitteilung, dass weitere Gespräche nicht erforderlich seien, da die Bewerbung in Potsdam bereits vorlag und positiv beantwortet wurde.

13.12.85                  Zustimmung des Betriebes

November 1986      Aktivitäten zur Teilnahme an einem Berufstaucherlehrgang

Da in der Antarktis getaucht werden sollte und derartige Aktivitäten auf professioneller Grundlage erledigt werden mussten, war auch eine Berufstaucherausbildung die Voraussetzug für die Durchführung. Eine der Stellen für die Ausbildung zum Berufstaucher war das Fischkombinat in Rostock. Die dort ausgebildeten Taucher wurden dann in der Regel auf den weltweit operierenden Schiffen der Fischfangflotte für Havariefälle stationiert. Füe die Durchführung von Arbeiten waren mindestens jeweils 3 Mann erforderlich - Taucher, Rettungstaucher, Signalmann, Tauchereinsatzleiter, wobei teilweise Funktionen gemeinsam ausgeübt werden konnten. Die Anmeldung zum Lehrgang war erfolgreich.

Januar 1987          Versuch der Tauchtechnikbeschaffung beim ZV der GST

Da das ZIPE keine eigene Tauchtechnik besaß, wurde versucht, vom Zentralvorstand der GST Ausrüstungsgegenstände zu erhalten. Da diese dann aber nicht den Voraussetzungen für den Einsatz entsprachen, wurde die Ausrüstung letztendlich vom Fischkombinat ausgeliehen. Es warden schwedische Trockenanzüge (Poseidon-Unisiut), Vollgesichtsmasken und Poseidon-Regler (Cyclon)

9.3. - 3.4.1987         Berufstaucherlehrgang Fischkombinat Rostock

Der Lehrgang fand zusammen mit den üblichen Teilnehmern statt, wobei ich dort einen Bootsmann der ARKONA kennenlernte, den ich nach der Expedition auf einer Kreuzfahrt nach Cuba wiedertraf. Der theoretische Teil war sehr interessant, der praktische eher langweilig, da ich das alles kannte und bis auf das Handling mit den Trockenanzügen kaum etwas neues dabei war. Es wurden 20 Stunden unter Wasser abgesessen, einige Rohre durchgesägt und ein paar Sucharbeiten durchgeführt.
Den ersten Tag mußte ich mit einem Medi-Trockenanzug tauchen und war so durchgefroren, dass ich kaum die Leiter an der Pier wieder hoch kam. Nach diesem Härtetest bekam ich dann die warmen schwedischen Anzüge.


April 1987            Antrag auf Durchführung von Taucherarbeiten

Die Taucharbeiten mussten beim zuständigen FDGB-Bezirksvorstand beantragt werden, da dieser für die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften verantwortlich war. Dabei hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, den Bruder von Egon Krenz kennenzulernen, der dort (in Rostock) für diesen Teil verantwortlich war. Er war ein sehr unangenehmer Mensch mit einem starken Hang zum Alkohol. Ich war froh, als ich das Gebäude wieder verlassen hatte. Der Antrag wurde jedenfalls genehmigt.

Mai 1987             Treffen mit Expeditionsteilnehmern in Garwitz

Diese Treffen fanden jedes Jahr statt. Hier hatte man die Gelegenheit, seine Mitstreiter und ehemalige Expeditionsteilnehmer persönlich kennenzulernen. Mehr als einen ersten Eindruck konnte man allerdings kaum erhalten.

1.6. - 12.6.87           Lehrgang Motorenreparatur in Neuenhagen

In dem Werk in Neuenhagen, in der Nähe meines Wohnortes, war auf die Generalüberholung von Dieselmotoren spezialisiert. Hier lernte ich, die Dinger auseinanderzunehmen und wieder zusammenzubauen und welche Ersatzteile am häufigsten benötigt wurden.

15.6. - 19.6.87          Lehrgang Dieseleinspritzpumpen

Hier konnte ich mein Wissen über Einspritzpumpen vertiefen. Wichtig waren insbesondere Hinweise zur Wartung und zur Einstellung und zu möglichen Fehlerquellen.

22.6 - 26.6.87          Generatorenlehrgang in Finsterwalde

Hier ging es um die Funktion, Wartung und Reparatur von Generatoren. Hier hatte ich bisher keinerlei Erfahrung und so war das eine sehr interessante Sache, die ich später dann auch gebrauchen konnte. Außerdem lernte ich dort einen weiteren ehemaligen Expeditionsteuilnehmer kennen.

7.9. - 18.9.87     Lehrgang im Panzerreparaturwerk in Neubrandenburg (MTLB und ATT)

Nun ging es an die größeren Sachen. In dem Werk wurden wir in die Reparatur und Wartung der Maschinen eingewiesen. Wir halfen in dem normalen Arbeitsrythmus bei der Generalreparatur der Fahrzeuge. Dabei geht es um die komplette Zerlegung und den anschließenden Zusammenbau der regenerierten Teile. Das war sehr interessant, allerdings braucht man bei der umfangreichen Technik wesentlich mehr Zeit, um alles zu bewältigen. Die Hilfe der sowjetischen Freunde bei ernsthaften Reparaturen war dann auch notwendig.

21.9. - 25.9.87            Fahrerlehrgang MTLB und ATT bei der NVA in Löbau

Hier lernten wir unsere zukünftigen Transportmittel kennen. Es machte sehr viel Spaß, mit den für uns ungewohnten Fahrzeugen zu fahren. Trotzdem die Zeit nur kurz war, konnte man, wenn man sich Mühe gab, die entscheidenden Dinge lernen.